Diversity: Toleranz vs. Akzeptanz
Wir Menschen sind soziale Wesen, die zum Überlegen das Gefühl benötigen, dazuzugehören und akzeptiert zu werden – so wie wir sind. In unseren Beziehungen ist die Akzeptanz des anderen der Schlüssel zum Glück. Die reine Toleranz dagegen führt oft irgendwann zu Problemen.
„Ich bin doch ein toleranter Mensch!“ Wie oft hören wir diesen Satz, oftmals bei Diskussionen zu sehr komplexen Themen wie Ausländerfeindlichkeit, Rassismus, LGBTQ-Rechte, Feminismus, Genderdiskussionen oder religiöser und politischer Zugehörigkeit. Tolerant zu sein gehört dabei zum guten Ton. Wer ernstgenommen und als weltoffen wahrgenommen werden möchte, ist tolerant. Ich selbst habe in der Vergangenheit oft das Wort Toleranz verwendet und wollte immer klarstellen, dass ich tolerant bin.
Toleranz und Akzeptanz sind nicht das gleiche
Doch irgendwann habe ich wahrgenommen, dass immer mehr Menschen, die eindeutig nicht so dachten oder handelten, wie ich es mir von einem toleranten Menschen erwartete – ja, selbst religiöse und politische Extremisten – plötzlich von Toleranz sprachen und sich für tolerant hielten. Wie konnte das sein? Ich habe mir dann den Begriff etwas genauer angesehen und gemerkt, dass ich eigentlich nicht Toleranz leben wollte. Etwas zu tolerieren ist eigentlich nichts Positives. Akzeptanz war die Eigenschaft, die ich leben wollte. Doch worin unterscheiden sich die beiden Eigenschaften? Maximilian Reichlin beschreibt in seiner Uniarbeit aus dem Jahre 2016 den Unterschied so:
„Toleranz und Akzeptanz sind, einmal nur ihrer sprachlichen Gehalte nach, nicht das Gleiche. Betrachten wir beide Begriffe einmal mit der Lupe: Akzeptanz kommt vom lateinischen „accipere“, was so viel bedeutet wie „gutheißen“ oder „annehmen“. Der deutsche Germanist Günther Drosdowski definierte die Akzeptanz als die Bereitschaft, etwas oder jemanden zu akzeptieren, ein fremdes Gedankengut also im reinen Wortsinne „gutzuheißen“. Toleranz stammt ebenfalls aus dem Lateinischen. Das Verb „tolerare“ bedeutet so viel wie „erdulden“ oder „ertragen“. Hier tut sich bereits ein Unterschied der Bedeutungen auf: Während etwas „gutzuheißen“ ein aktiver Vorgang ist, erscheint das „erdulden“ eher passiv, so als könne man sich ohnehin nicht dagegen wehren, was da auf einen zukommt.
Da enden die Unterschiede aber noch nicht. Auch die Konnotation spielt eine gewichtige Rolle. Wenn wir sagen, wir „dulden“ etwas oder irgendjemand sei „geduldet“, ist das selten etwas Gutes. Vielmehr nehmen wir dabei eine Wertung vor, die Ausgrenzung schwingt bereits im gesprochenen Wort mit. So sagen wir also nicht: „Ich stehe hinter dir und befinde deine Anwesenheit für gut“, sondern: „Ich weiß, dass du nicht hierhergehörst, aber da ich nichts dagegen tun kann, dulde ich es.“ Möglicherweise sprechen wir auch von oben herab, mit Mitleid oder einem falschen Gefühl von Großzügigkeit: „Ich weiß, dass du nicht hierhergehörst, aber ich dulde dich dennoch. Bin ich nicht barmherzig?“ Letzten Endes muss der Geduldete dem Duldenden dann auch noch dankbar sein“ (Ende des Zitats).
Sei akzeptierend, nicht tolerant
Reichlin erklärt wunderbar, warum wir eher Akzeptanz als Toleranz leben sollten, wollen wir den Weg der Nächstenliebe gehen. Toleranz erfordert keinerlei Einsatz, ist passiv und wertend. Akzeptanz erfordert, dass wir uns mit unserem Gegenüber auseinandersetzen, ihn gutheißen und so akzeptieren, wie er oder sie ist. Auch eine Situation politischer oder sozialer Dimension zu tolerieren ist etwas anderes, als sie zu akzeptieren. Natürlich tolerieren auch fremdenfeindliche Rassisten die Flüchtlinge, die zu uns kommen. Was bleibt ihnen denn andres übrig? Wenn sie dann auf ihren Demos fremdenfeindliches Gedankengut verbreiten, tun sie das oft unser dem Deckmantel der Toleranz. Wollen wir tatsächlich menschlich bleiben, müssen wir solche geopolitischen Veränderungen zunächst Akzeptieren, um sie dann konstruktiv ändern zu können.
Menschen aus anderen Ländern, Kulturen und Menschen, die einfach anders sind, sollten wir akzeptieren, nicht tolerieren. So wird das Miteinander eine Bereicherung für uns alle. Das bedeutet nicht, dass wir alles akzeptieren müssen, was andere tun. Taten, wenn falsch, müssen angesprochen und aufgearbeitet werden. Und ja, es gibt Taten, Einstellungen oder Meinungen, die weder toleriert noch akzeptiert werden sollten. Dies ist aber ein anderes, eigenes Thema.
Nur die Akzeptanz bringt nachhaltige Veränderung
In unseren zwischenmenschlichen Beziehungen ist Akzeptanz der Schlüssel zum Glück. Toleranz dagegen führt meist zu Problemen in Beziehungen. Seien wir keine toleranten Partner. Seien wir akzeptierende Partner. Liebe ich meinen Partner wirklich, dann toleriere ich seine Macken nicht. Ich akzeptiere sie und irgendwann werde ich sie sogar lieben. Oft sieht man, dass, wenn der Partner nicht mehr da ist und man sich an ihn oder sie erinnert. „Weißt du noch, wie laut er geschmatzt hat? Es hat mich jedes Mal verrückt gemacht. Ach, könnte ich es nur noch einmal hören!“ Das gleiche Prinzip der Akzeptanz als Glücksgarant in Beziehungen gilt auch für andre familiäre Beziehungen oder für Freundschaften.
Selbst im Geschäftsleben ist Akzeptanz besser als Toleranz. Arbeiten wir mit Dienstleistern, Partnern oder Kunden aus anderen Ländern und Kulturen, könnte eine tolerante Einstellung kontraproduktiv sein. Eine akzeptierende Einstellung kann zur Bereicherung der Geschäftsbeziehung und zu mehr Erfolg führen. Und Mitarbeiter mit alternativen Lebensmodellen, aus anderen Kulturen und mit individuellen Eigenheiten fühlen sich zugehörig und wohl, wenn sie akzeptiert und nicht nur toleriert werden.
Akzeptanz ist etwas, woran wir arbeiten müssen, vor allem in Führungspositionen. Bei Kindern ist sie ein natürliches Mitbringsel ab der Geburt. Danach wird uns diese Akzeptanz abtrainiert. Sie wieder zu erlangen, sollte eines unserer wichtigsten Ziele sein. Nur wenn wir als Gesellschaft und als Spezies Akzeptanz lernen und leben, werden wir auf lange Sicht überleben. Es kann sein, dass viele von uns momentan vielleicht nur zu Toleranz fähig sind. Versuchen wir tagtäglich etwas mehr Akzeptanz zu zeigen und sie unseren Kindern vorzuleben, dann können wir guter Hoffnung sein, für ein langes und glückliches Miteinander.
Fazit
Was ist der Unterschied zwischen Toleranz und Akzeptanz?
Toleranz bedeutet das Erdulden oder Ertragen, während Akzeptanz das gutheißen oder annehmen bedeutet, was aktivere und positive Interaktion mit Vielfalt impliziert.
Warum sollte Akzeptanz gegenüber Toleranz bevorzugt werden?
Akzeptanz sollte bevorzugt werden, weil es aktive Zustimmung und Unterstützung zeigt, während Toleranz oft eine passive und möglicherweise wertende Haltung signalisiert.
Wie beeinflussen Toleranz und Akzeptanz zwischenmenschliche Beziehungen und Geschäftsbeziehungen?
Akzeptanz ist der Schlüssel zu glücklichen Beziehungen und bereichernden Geschäftsverbindungen, da sie aktive Unterstützung und Anerkennung anstatt bloßen Erduldens impliziert.
Warum ist Akzeptanz in Führungspositionen wichtig?
Akzeptanz in Führungspositionen ist entscheidend, um ein inklusives Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem sich alle Mitarbeiter*innen akzeptiert und wertgeschätzt fühlen.
Call to Action
Engagiere dich für eine Kultur der Akzeptanz in deinem persönlichen und beruflichen Umfeld. Beginne mit dir selbst, fördere aktiv die Unterschiede und sehe in der Vielfalt eine Bereicherung. Lass uns gemeinsam den Grundstein für eine inklusivere und akzeptierendere Gesellschaft legen.
5 Tipps für die Umsetzung von Akzeptanz im Arbeitsumfeld:
Offenheit Kultivieren: Förderung einer Kultur, in der Vielfalt an Meinungen, Perspektiven und Lebensmodellen willkommen ist.
Bildung & Weiterbildung: Teilnahme an Trainings und Workshops, um das Bewusstsein für Vielfalt, Gleichheit und Inklusion zu schärfen.
Kommunikation Fördern: Etablierung sicherer Kommunikationskanäle, die einen offenen Dialog über Vielfalt und Inklusion ermöglichen.
Akzeptanz Vorleben: In jeder Interaktion und Entscheidung aktiv Wertschätzung und Anerkennung der Unterschiedlichkeit demonstrieren.
Inklusive Entscheidungsprozesse: Integration unterschiedlicher Perspektiven in Entscheidungsprozesse, um vielfältige Sichtweisen und Erfahrungen zu berücksichtigen.
Insgesamt erinnert uns der Text daran, dass wahre Akzeptanz – das Gutheißen und Annehmen der anderen in ihrer Gesamtheit – ein Schlüssel zum Aufbau gesunder, produktiver und bereichernder Beziehungen sowohl im persönlichen als auch im beruflichen Kontext ist. Es geht darum, jeden Einzelnen in seiner Einzigartigkeit zu sehen, zu würdigen und zu umarmen, und das Potenzial, das in unserer vielfältigen Gesellschaft liegt, voll auszuschöpfen.
In diesem Sinne sende ich Euch einen Gruß voller Akzeptanz
Euer Daniel
Headerbild: Alexander Grey / Unsplash